Angela Merkel by Dirk Kurbjuweit

Angela Merkel by Dirk Kurbjuweit

Autor:Dirk Kurbjuweit [Kurbjuweit, Dirk]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446207431
Herausgeber: Hanser
veröffentlicht: 2009-03-01T23:00:00+00:00


Dann gab es ein neues Problem. Im Mai 2006 war Kurt Beck Vorsitzender der SPD geworden. Er geriet schnell in Schwierigkeiten, weil er sich nicht besonders geschickt verhielt, und er hatte einen starken Konkurrenten, der sich aufführte wie ein heimlicher Parteivorsitzender, obwohl er als Parteivorsitzender gescheitert war: Franz Müntefering, Arbeitsminister und Vizekanzler. Müntefering hatte sich vom Parteisoldaten zum Großkoalitionär verwandelt. Er hatte 2003 eingesehen, dass Reformen nötig sind, und er hatte sich vorgenommen, die versäumten Reformen mit Angela Merkel nachzuholen, über Parteiinteressen hinweg. Zunächst arbeitete dieses Duo eng zusammen, Merkel äußerte sich angetan über Müntefering, Müntefering sagte über das Verhältnis zu Merkel: »Korrekt im Umgang miteinander, ein Stück Sympathie darin, sachlich in jedweder Weise, nicht kumpelhaft, formale Distanz – ein Verhältnis, wie man es auch in einer guten Firma hat.« Für einen wie Müntefering, der mal geschwiegen hat, als ihm sein Kanzler Schröder einen Freundschaftsantrag gemacht hatte, ist das fast eine Liebeserklärung.

Die Rente mit 67 hatten Müntefering und Merkel gemeinsam durchgezogen, zum Verdruss von großen Teilen der SPD, auch von Kurt Beck. Er und Müntefering waren sich in vielen Punkten uneins, ihr Zerwürfnis ging so weit, dass die Machtfrage im Raum stand. Beck hat das verstanden, und er hat sie beantwortet. Seine Waffe wurde das Arbeitslosengeld I. Die Agenda 2010 hat den Bezug dieser Leistung, von der man halbwegs anständig leben kann, auf ein Jahr gekürzt, für ältere Arbeitnehmer auf anderthalb Jahre. Danach kommt das karge Leben mit Hartz IV. Aber die Maßnahme hat gewirkt. Sie hat dafür gesorgt, dass überproportional viele ältere Arbeitnehmer eingestellt wurden.

Beck schlägt vor, den Bezug für ältere Arbeitnehmer auf zwei Jahre zu verlängern, und stellt sich damit offen gegen Müntefering, der an der Agenda 2010 festhalten will. Es ist eine geschickte Attacke des Mannes, der sich später, nach seinem Rücktritt, darüber beklagen wird, dass in Berlin die Sitten eines Wolfsrudels herrschten. Er nimmt die Stimmung in der Bevölkerung auf, er nimmt die Stimmung in der SPD auf, die sich gegen Oskar Lafontaine profilieren will, und so gerüstet kann er gar nicht verlieren gegen Müntefering. Er verliert auch nicht. Ein Parteitag segnet ihm den Plan ab. Der Machtkampf gegen Müntefering ist entschieden.

Und was macht Merkel? Merkel stimmt zu. Die große Verbalreformerin nimmt eine Reform zurück.

Einen dramatischeren Wandel hat es in der Bundespolitik selten gegeben. Angela Merkel frisst sich selbst. Sie, die weiß, wie schwer es war, diese sinnvolle Reform durchzusetzen, schafft diese Reform mit einem Federstrich ab. Sie wehrt sich nicht mit einem Wort. Sie nimmt es hin. Sie hatte schon auf dem Parteitag in Dresden einem ähnlichen Antrag von Jürgen Rüttgers zugestimmt, aber da dachte sie noch, dass sei nur ein Papier, dass niemals Regierungspolitik werden könne, einer dieser ungezählten Anträge fürs Archiv.

Ich habe sie das gefragt, bei einem Mittagessen. Warum? Warum ausgerechnet sie? Wir saßen in einer Art Lounge im Kanzleramt, drei Journalisten, Regierungssprecher Wilhelm und sie. Es gibt einen langen Esstisch, und es gibt eine Sitzecke vor einer Schrankwand, in der ein paar Bücher stehen, auf eine sehr ausgesuchte Art dort stehen, mehr platziert als hingestellt.



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